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ATAD III: Bekämpfung von Briefkastenfirmen mit EU-Bezug

16.01.2023

ATAD III – EU Unshell Initiative

Die EU-Kommission hat am 22. Dezember 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen (engl. «Shell Companies») für Steuerzwecke veröffentlicht. Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie ist es, als schädlich wahrgenommene Briefkastenfirmen durch die Einführung von Meldepflichten und steuerlichen Nachteilen unattraktiv zu machen. Die Richtlinie soll für Briefkastenfirmen mit Sitz innerhalb der EU eingeführt werden. Geplantes Inkrafttreten der Richtlinie ist aktuell der 1. Januar 2024, wobei eine Verzögerung des Zeitplans wahrscheinlich ist, da die EU-Mitgliedstaaten der Richtlinie bisher noch nicht zugestimmt haben. Daneben soll auch eine separate Richtlinie für Briefkastenfirmen mit Sitz ausserhalb der EU erarbeitet werden.

Qualifikation als Briefkastenfirma

Ausnahmen

Von der Prüfung ausgenommen sind börsenkotierte Gesellschaften, regulierte Finanzinstitute, Gesellschaften, die im Staat ihrer Muttergesellschaft ansässig sind, sowie Gesellschaften mit ausreichend Angestellten (mindestens 5 FTE).

Gateways

Als Briefkastenfirma gilt eine Gesellschaft, wenn sie grenzüberschreitend mobile Einkünfte erzielt und für die eigene Verwaltung auf externe Dienstleister angewiesen ist. Konkret wird die kumulative Erfüllung folgender drei Gateway-Kriterien geprüft:

1) Einkünfte
Mehr als 75% der in den letzten zwei Steuerperioden erzielten Einkünfte qualifizieren als relevante Einkünfte. Dies sind passive Einkünfte wie Zinsen, Lizenzen, Dividenden, Kapitalgewinne auf Aktien, Ertrag aus unbeweglichem Vermögen oder aus Krypto-Assets.

Der Gateway Test gilt auch als erfüllt, wenn über 75% der Aktiven aus Immobilien oder nicht-betrieblichen Vermögenswerten wie Kunst, Yachten oder Privatjets bestehen.

2) Grenzüberschreitend
Das Kriterium der Grenzüberschreitung gilt als erfüllt, wenn mindestens 60% der Einkünfte aus grenzüberschreitenden Transaktionen stammt oder über 60% der Vermögenswerte der Gesellschaft in einem anderen Land liegen.

3) Auslagerung
Das Kriterium der Auslagerung gilt als erfüllt, wenn in den vergangenen beiden Steuerperioden die Verwaltung des Tagesgeschäfts und die Entscheidfindung in wesentlichen Funktionen an Dritte ausgelagert waren.

Konsequenzen der Briefkastenfirma

1) Meldepflicht

Eine Briefkastenfirma unterliegt in einem ersten Schritt umfangreichen Meldepflichten. So muss die Gesellschaft detaillierte Informationen und Belege zu Substanzindikatoren liefern (eigene Büroräumlichkeiten, aktives Bankkonto in einem EU-Staat, Kadermitarbeiter mit Wohnsitz in der Nähe des Sitzes der Gesellschaft mit angemessener Qualifikation und tatsächlicher Entscheidungsgewalt, Details zur Geschäftstätigkeit und wirtschaftlichen Gründen der Struktur). Alternativ zu den Substanzindikatoren kann die Gesellschaft auch belegen, dass durch die gewählte Struktur kein Steuervorteil entsteht.

Basierend auf den gelieferten Unterlagen entscheidet die zuständige Steuerbehörde, ob eine schädliche Briefkastengesellschaft besteht oder nicht. Sofern die Struktur als nicht schädlich eingestuft wird, kann eine Befreiung von der Meldepflicht für bis zu 5 Jahre erteilt werden.

2) Steuerfolgen einer Qualifikation als schädliche Briefkastenfirma

Der Ansässigkeitsstaat verweigert die Ausstellung von Ansässigkeitsbescheinigungen (DBA oder EU- Richtlinien) oder versieht diese mit einem Warnhinweis, damit keine Abkommensvorteile erlangt werden können.

Erlangte Steuervorteile wie beispielsweise Quellensteuerrückerstattungen werden der Gesellschaft aberkannt oder nicht gewährt.

Der EU-Staat, in dem sich das Vermögen der Gesellschaft befindet, besteuert dieses Vermögen so, als würde es von den Anteilseignern direkt gehalten. Im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners der Briefkastenfirma wird der Anteilseigner so besteuert (nach nationalem Recht), als habe er das Einkommen der Gesellschaft selbst erzielt. Dadurch können faktisch erhebliche Doppelbelastungen entstehen. Wenn der Anteilseigner nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist, kommt im Mitgliedstaat der Einkunftsquelle lokales Quellensteuerrecht zur Anwendung.

Die Informationen zu Briefkastenfirmen werden automatisch mit sämtlichen EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht.

Implikationen für Gesellschaften mit Bezug zur EU

Substanzarme Holdinggesellschaften mit Sitz in der EU oder als Gesellschafterin von EU-Tochtergesellschaften sind zu vermeiden respektive im Rahmen einer Umstrukturierung abzulösen. Da für die Prüfung der benötigten Substanz die letzten zwei Jahre berücksichtigt werden, sollte diese Umstrukturierung noch vor Inkrafttreten der neuen Richtlinie umgesetzt werden.

Für die Vermögensverwaltungsindustrie ist zu empfehlen, die Investitionen in den EU-Raum möglichst über regulierte Vehikel (wie UCITS und AIFs) zu strukturieren.

Für Immobilieninvestitionen im EU-Raum empfiehlt sich die Prüfung von lokalen Ländergesellschaften als Investmentvehikel.