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Liechtenstein: Praxisverschärfung Mindestkapitalisierung

10.02.2022

Praxisverschärfung

Seit der Steuerperiode 2017 werden Fremdkapitalzinsen im Umfang der Überschuldung der Liechtensteinischen Gesellschaft für Steuerzwecke verweigert, was als steuerliche Mindestkapitalisierungsvorschrift zu verstehen ist. Die Liechtensteinische Steuerverwaltung hat diese Praxis nun erweitert und begonnen das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital kritisch zu prüfen, wenn die FL-Gesellschaft überwiegend mit Fremdkapital von Nahestehenden finanziert ist und Beteiligungen hält. Die Steuerverwaltung vertritt dabei den Standpunkt, dass ein Teil des Fremdkapitals wirtschaftlich die Funktion von Eigenkapital einnimmt. Steuerliche Vorschriften zur Mindesteigenkapitalisierung bei der Fremdfinanzierung durch Nahestehende sind international weit verbreitet und keine Besonderheit Liechtensteins.

Auswirkung

Die neue Praxis führt dazu, dass der steuerlich abzugsfähige Fremdkapitalzins auf das «anerkannte» Fremdkapital beschränkt wird, auch wenn keine Überschuldung vorliegt. Diese Praxis betrifft ausschliesslich inländische Gesellschaften mit stark durch Nahestehende fremdfinanzierten Beteiligungen. Auf dem Anteil des Fremdkapitals, welcher wirtschaftlich die Funktion von Eigenkapital hat, wäre grundsätzlich der Eigenkapital-Zinsabzug anwendbar. Da das modifizierte Eigenkapital für den Eigenkapitalzinsabzug vollumfänglich um die Beteiligungswerte gekürzt wird, führt die neue Praxis damit faktisch zu einer Kürzung des Fremdkapitalzinsabzuges ohne gleichzeitige Erhöhung des Eigenkapitalzinsabzuges.

Fremdvergleichsgrundsatz

Die Steuerverwaltung begründet ihre Praxisverschärfung mit dem im Steuergesetz Art. 49 verankerten Fremdvergleichsgrundsatz. Der Fremdvergleichsgrundsatz besagt, dass Erträge und Aufwendungen zwischen nahestehenden Personen steuerlich so anzusetzen sind, wie sie bei einer Beziehung zwischen unabhängigen Dritten angefallen wären. In diesem Zusammenhang wird neu auch beurteilt, in welchem Umfang ein unabhängiger Dritter die Bilanz der Gesellschaft mit Fremdkapital finanziert hätte.

Dieser Argumentation kann unseres Erachtens grundsätzlich gefolgt werden. In der praktischen Anwendung gilt es jedoch auch zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Fremdfinanzierungsquote und dem anwendbaren Zinssatz besteht. Je stärker die Bilanz fremdfinanziert ist, desto höher ist das Risiko des Fremdkapitalgebers, welches mit höheren Zinsen entschädigt werden muss. Die jährlich publizierten safe haven Zinssätze der Steuerverwaltung bilden naturgemäss durchschnittliche Fremdfinanzierungsquoten ab und dürften damit in der Regel bei höheren Risiken tiefer liegen als der Drittvergleichszinssatz. Ein weiteres Element im Rahmen des Fremdvergleichsgrundsatzes sind die nachweisbaren stillen Reserven auf der Bilanz. Bei den Überlegungen zur Fremdkapitalvergabe würde ein unabhängiger Dritter diese als Eigenkapital der Gesellschaft berücksichtigen. Es wäre daher unseres Erachtens angezeigt, dass im Rahmen der Herleitung des steuerlich anerkannten Fremdkapitals auch die nachweisbaren stillen Reserven berücksichtigt werden.

Finanzierungsneutralität

Neben dem Fremdvergleichsgrundsatz basiert das Steuergesetz Liechtensteins auch auf dem Grundsatz der Finanzierungsneutralität. Bei der Ausgestaltung des Gesetzes war es der Wille des Gesetzgebers, dass die Wahl der Finanzierungsform ohne steuerliche Beeinflussung ausschliesslich nach unternehmerischen Gesichtspunkten getroffen werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde auch der Eigenkapital-Zinsabzug eingeführt damit eine Finanzierung mit Eigenkapital einer solchen mit Fremdkapital steuerlich gleichgestellt wird.

Natürlicherweise besteht ein Spannungsfeld zwischen der Finanzierungsneutralität, welche keine Finanzierungsform steuerlich bevorzugen oder behindern will (also eine Finanzierungsfreiheit bezweckt) und dem Fremdvergleichsgrundsatz, welcher die Beschränkung der steuerlich anerkannten Aufwendungen auf den Drittvergleich bezweckt. Unseres Erachtens ist mit der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes die Finanzierungsneutralität zwar eingeschränkt, aber nicht verletzt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Steuerverwaltung bei fremdfinanzierten Beteiligungen den Zinsabzug weiterhin auf demjenigen Fremdkapital gewährt, welches auch ein unabhängiger Dritter finanziert hätte. Somit betrifft die Beschränkung des Zinsabzuges nur dasjenige Kapital, welches ausser dem Aktionär niemand zu finanzieren bereit wäre und welches somit Eigenkapitalcharakter aufweist.

Fazit

Aufgrund des im Steuergesetz stipulierten Grundsatzes der Finanzierungsneutralität sollte ein Eingriff der Steuerverwaltung in die Wahl der Finanzierungsform einer Gesellschaft eher zurückhaltend vorgenommen werden. Wenn einer Gesellschaft unter dem Fremdvergleichsgrundsatz die Fremdkapitaleigenschaft von Darlehen Nahestehender teilweise abgesprochen wird, muss dem Steuerpflichtigen unseres Erachtens immerhin der Nachweis des Drittvergleichs offenstehen. Dies sowohl bei dem anwendbaren Fremdkapitalzinssatz als auch beim anrechenbaren Eigenkapital in Form von stillen Reserven.